Steiger, Edmund von (1836-1908)--DB11563
Person
Lebensdaten
19.08.1836-26.02.1908
Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort
Bern (BE)
Zivilstand, Konfession, Nachkommen
Verheiratet mit 1) 1864 Emma von Diesbach, 2) 1873 Rosa Julia Linder; 3 Kinder aus erster Ehe, 3 Kinder aus zweiter Ehe; reformiert
Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen
Sohn des Franz Georg von Steiger, Gutsbesitzers und Grossrats, und der Elisabeth Marie Sophie Marcuard
Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit
Ausbildung
Universitäten Basel, Göttingen und Bern: Studium der Theologie 1856-1860
Berufsausübung
Pfarrer in Gsteig 1870-1878; Pfarrer in Saanen 1862-1870; Vikar in Twann -1862
Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen
Funktionen in anderen Institutionen
Funktionen in der Politik
Nationalrat 1888-1890 und 1891-1908; Regierungsrat BE 1878-1908
Biographische Skizze
Edmund von Steiger war zunächst als reformierter Pfarrer im Berner Oberland tätig. Bereits in dieser Zeit, in der er die Armut der Bauern kennenlernte, interessierte er sich für ökonomische und soziale Fragen. Nach seiner Wahl in den Berner Regierungsrat 1878 stand er dem Departement für Inneres vor. In dieser Funktion wollten er und Regierungsrat Alfred Scheurer in der Verfassungsrevision ab 1883 die finanziellen Probleme der Bauern angehen. Dafür wollten sie einerseits die Verschuldung der Bauern durch eine Reorganisation des Hypothekarwesens angehen und andererseits etwas gegen den akuten Geldmangel der Bauern unternehmen. Die Oekonomische Gesellschaft Bern schlug dem Verfassungsrat in einer Eingabe die Einführung von Raiffeisengenossenschaften vor, was Steiger als Grundlage für einen Verfassungsartikel empfahl. Die zur Abstimmung gelangte Verfassung sah dementsprechend die Unterstützung der gemeinnützigen Kredit- und Versicherungsanstalten vor, wurde aber 1885 von der Stimmbevölkerung verworfen.
Trotz der Abstimmungsniederlage versuchte Steiger weiterhin, die genossenschaftliche Selbsthilfe zu fördern. Im Auftrag der Berner Regierung gingen Steiger und Scheurer 1885 ins Deutsche Reich, um das System der Raiffeisenkassen zu analysieren. In Neuwied trafen sie sogar Raiffeisen, Friedrich Willhelm (1818-1888)--DB2774, den Vordenker dieses Systems. Steiger war begeistert von dessen Ideen, da sie laut ihm traditionelle und moderne Elemente vereinen, Gemeinützigkeit über Gewinnsucht stellen und den gemeinschaftlichen Zusammenhalt fördern. Aus Sicht von Steiger konnten so auch wenig Vermögende ihr Geld sicher anlegen und gleichzeitig im Bedarfsfall günstige Darlehen aufnehmen. Mit dieser Form der Selbsthilfe wollte Steiger die negativen Auswirkungen des Kapitalismus für den bäuerlichen und gewerblichen Mittelstand abfedern.
Nach seiner Rückkehr setzte sich Steiger für die Gründung von Kreditgenossenschaften nach dem System Raiffeisen im Kanton Bern ein. Er hielt Referate, fertigte Statuten an und lockte mit finanziellen Anreizen. Die ersten drei Gründungen erhielten von der Oekonomischen Gesellschaft des Kantons Bern nämlich einen Preis. Tatsächlich wurden daraufhin in Schosshalde, Zimmerwald bei Bern und Gurzelen im Gürbetal drei entsprechende Genossenschaften gegründet. Mit dem damit wegfallenden materiellen Anreiz wurden anschliessend jedoch keine Kreditgenossenschaften mehr gegründet. Die drei erwähnten Kreditgenossenschaften änderten zudem später ihre Statuten und wurden nicht Mitglieder des 1902 gegründeten Schweizerischen Raiffeisenverbands. Dass die Etablierung von Raiffeisengenossenschaften nicht erfolgreich war, dürfte an zwei Gründen liegen: Einerseits waren die Berner Bauern wohl weniger verschuldet als jene im Deutschen Reich, wo das System Raiffeisen breite Anwendung fand. Andererseits musste Steiger aus parteipolitischen Gründen 1886 die Landwirtschaftsdirektion abtreten. Im Kanton Bern wurden erst ab 1910 wieder neue Raiffeisenkassen gegründet.
Wenngleich die von Steiger initiierten Gründungen nach dem System Raiffeisen nicht lange Bestand hatten und er selbst nicht im späteren Raiffeisenverband tätig war, gilt er als einer der Initiatoren des Raiffeisenwesens in der Schweiz.
Autor: Olivier Felber
Quellen und Literatur
Eigene Publikationen
Quellen
- AfA Personendossier Nr. 4563
- Gruner, Erich: Edmund von Steiger. 30 Jahre neuere bernische und schweizerische Geschichte, Bern 1949
- Historischer Kalender oder der Hinkende Bot auf das Jahr 1909, S. 61
- Obrecht, Sibylle: Raiffeisen. Menschen, Geld, Geschichten, Frauenfeld 2000, S. 14-16
- Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, 2019, S. 137-138